Zum Inhalt springen

Die größten Pannen der Kreuzzüge

Der erste Kreuzzug versammelt sich in Konstantinopel

Die Kreuzzüge des Mittelalters sind ja generell keine glorreiche Geschichte. Da ist erstmal die offensichtliche Tatsache, dass diese angeblichen Glaubenskriege meist nicht mehr als blutrünstige Schlachtzüge ohne großem religiösen Inhalt waren und in ihren Folgen noch heute christlich-muslimische Beziehungen überschatten. Abgesehen davon stechen die Kreuzzüge aber durch noch eine Tatsache hervor: Sie waren meist unfassbar erfolglos! Der erste Kreuzzug mag im späten 11. Jahrhundert zwar zur kurzfristigen Eroberung Jerusalems geführt haben. Der dritte hinterließ uns Heldengeschichten von Richard Löwenherz und Saladin. Die Geschichte der Kreuzzüge ist abgesehen davon aber eine Geschichte der Pannen. Hier sind meine Top 3!

1 | Der dritte Kreuzzug und Tod Barbarossas

Steigen wir doch gleich mit dem bekanntesten Kreuzzug von allen ein – dem dritten von 1189. Er ist bis heute der Kreuzzug, der am stärksten in der öffentlichen Wahrnehmung erhalten geblieben ist. Immerhin wimmelt es hier nur so von legendären Heldengestalten! Richard Löwenherz zieht im dritten Kreuzzug in Richtung Jerusalem, Philipp von Frankreich tat es ihm gleich und auch Kaiser Friedrich Barbarossa war mit von der Partie. Auf der anderen Seite des Konflikts finden wir mit Sultan Saladin wiederum den bekanntesten muslimischen Akteur der gesamten Kreuzzugsgeschichte. Ein hochkarätiges Ensemble also! Die Tatsache, dass der halbe Hochadel Westeuropas mit dabei war, bedeutet aber noch lange nicht, dass der Kreuzzug sonderlich erfolgreich gewesen wäre. Er war sogar ziemlich ernüchternd.

Auch das begann aber freilich nicht erst mit der dritten Ausgabe. Auch der zweite Kreuzzug vierzig Jahre zuvor war schon ein einziger Misserfolg gewesen, wenn er auch nicht so sehr in der kollektiven Erinnerung hängengeblieben ist. Das Erstarken der muslimischen Seldschuken im Heiligen Land konnte er auf jeden Fall nicht verhindern. Von noch früheren gescheiterten Kreuzzugsversuchen wie dem Volkskreuzzug von 1096 will ich an der Stelle noch gar nicht sprechen. Der dritte sollte nun ab 1189 aber alles wieder zum Guten wenden. Saladin hatte kurz zuvor schließlich die Stadt Jerusalem erobert und der Papst trat an, das mithilfe des neuen Kreuzzuges schnellstmöglich rückgängig zu machen.

Ein wenig glorreiches Ende

Richard Löwenherz und Philipp von Frankreich machten sich dieses Mal im Gegensatz zu früheren Kreuzzügen (und klugerweise) über den Seeweg auf nach Palästina. Der römisch-deutsche Kaiser Friedrich Barbarossa wählte dagegen den (inzwischen könnte man sagen) traditionellen Weg über Land. Von Regensburg aus die Donau abwärts, quer durch den Balkan über Konstantinopel und Anatolien führte ihn dieser beschwerliche Weg. Und obwohl Barbarossa und seine Truppen im Mai 1189 und damit gut ein Jahr vor den Königen von England und Frankreich starteten, trafen sie erst im Oktober des Folgejahres mit ihren Verbündeten im Heiligen Land zusammen. Friedrich Barbarossa selbst war nicht mehr dabei. Er war auf dem Weg berühmtermaßen beim Schwimmen ertrunken. Offensichtlich wollte er sich in Anatolien ein kühles Bad im Fluss Saleph gönnen, wie Alexander der Große es an ähnlicher Stelle schon getan haben soll. Wir wissen es zwar nicht genau, aber für den knapp 70-jährigen Friedrich resultierte der plötzliche Temperaturunterschied wohl in einem Herzinfarkt.

Allzu viel verpasst hat er aber ohnehin nicht. Philipp von Frankreich zog sich kurz darauf auch nach Hause zurück, um sich um wichtigere dynastische Angelegenheiten zu kümmern. Richard Löwenherz wiederum konnte mangels militärischer Erfolge mit Saladin letzten Endes auch nur einen Friedensvertrag aushandeln. Anstatt Jerusalem wieder christlich zu machen, garantierte Saladin christlichen Pilgern nun freies Geleit in die Stadt. Man muss wohl nicht erwähnen, dass dieser „Deal“ im Westen trotzdem als großer Sieg verkauft wurde. Und apropos Sieg: Auf dem Rückweg geriet Richard Löwenherz dann auch noch in österreichische Gefangenschaft und musste teuer freigekauft werden. Durch und durch glorreich also, dieser dritte Kreuzzug.

2 | Der vierte Kreuzzug und Fall Konstantinopels

Mit einem Blick auf die bisherigen Kreuzzüge können wir um die Jahrhundertwende 1200 also feststellen: Erfolgreich waren diese Unternehmungen mit Ausnahme des allerersten Kreuzzuges nicht gerade gewesen. Der letzte Versuch endete sogar mit dem Tod des römisch-deutschen Kaisers und der Festnahme des englischen Königs auf seiner Heimreise, während Jerusalem unter muslimischer Kontrolle blieb … In Anbetracht dessen mag es fast unmöglich erscheinen aber: Es sollte nur noch schlimmer werden. Im frühen 13. Jahrhundert folgte nämlich der berüchtigte vierte Kreuzzug und der war nun wirklich das größte „Ups!“ von allen. Die Kreuzfahrer kamen noch nicht mal in die Nähe des Heiligen Landes oder irgendeiner muslimischen Streitmacht. Stattdessen fiel die größte Stadt der Christenheit …

Die Probleme mit dem Unterfangen begannen eigentlich schon bei der Ausrufung des Kreuzzuges. Papst Innozenz III. – nicht ohne Grund ein berüchtigter Papst des Mittelalters – rief diesen nämlich ohne erkennbaren Grund aus. Es fand zuvor keine große Niederlage gegen muslimische Truppen statt und auch sonst hatte sich in Palästina seit dem letzten Kreuzzug wenig getan. Trotz allem fanden sich auch dieses Mal wieder genügend Ritter, die bereit waren, im Namen der Christen in den Osten zu ziehen. Es waren das aber nicht die großen Könige Westeuropas, sondern kleinere Adelige, insbesondere aus dem Norden Frankreichs. Damit wollte Innozenz die Taktik des ersten Kreuzzugs hundert Jahre zuvor wiederholen. Mit Richard Löwenherz und vor allem Friedrich Barbarossa hatte man schließlich gemischte Erfahrungen gemacht. Dieses Mal sollten die Kreuzfahrer aber nicht den beschwerlichen Landweg auf sich nehmen, sondern sich mit Schiffen in Richtung Levante aufmachen. Man wandte sich also an die einzige Macht Europas, die eine Flotte dieser Größe bereitstellen konnte.

Venedig und die noblen Motive

Es war klar: Die Stadtrepublik Venedig musste dafür Sorge tragen, die über 30.000 Kreuzfahrer über das Meer zu transportieren. Nachdem man sich mit der Serenissima auf eine stattliche Bezahlung geeinigt hatte, wurde auch gleich Ägypten als Ziel des neuen Kreuzzugs festgelegt. Damit wollte man das Machtzentrum der Ayyubiden-Dynastie erschüttern, bevor es weiter nach Jerusalem ging. Das Problem an der Sache: Weder Papst noch Kreuzfahrer hatten tatsächlich das Geld, um die Republik Venedig für ihre Leistung zu bezahlen. Damit fing das Problem also an, wo so viele Probleme anfangen: beim lieben Geld. Venedig hatte da aber einen Alternativvorschlag. Das Kreuzfahrerheer könnte der Stadt doch unterwegs behilflich sein, ein paar …. weniger gottgewollte … Ziele zu erobern. Dann wollte man es mit dem Geld auch nicht so ernst sehen. Die meisten teilnehmenden Kämpfer wussten es zwar nicht, aber die Führung Venedigs und der Kreuzfahrer fand einen Kompromiss in der Sache. Der vierte Kreuzzug begann somit im Oktober 1202 und erreichte zur Überraschung aller schon nach wenigen Tagen sein erstes Ziel: Die Küstenstadt Zara (das heutige Zadar). Sie wurde belagert und für Venedig eingenommen – obwohl sie zum christlichen Königreich Ungarn gehörte. Der Papst war erzürnt und exkommunizierte daraufhin die gesamte Stadtrepublik. Es sollte aber erst der Anfang sein.

Inzwischen hatten die Anführer des „Kreuzzuges“ nämlich auch Nachricht aus Byzanz erhalten. Dort schwelte zur selben Zeit ein Nachfolgekonflikt um die Kaiserkrone und das Kreuzfahrerheer – immer noch in großer Finanznot – sah seine Gelegenheit. Man fuhr also vor die Tore Konstantinopels, um den Prinzen Alexios gegen seinen Onkel und amtierenden Kaiser gleichen Namens (ja ich weiß …) zu unterstützen. Der Umsturz gelang ihnen. Die Bezahlung Alexios‘ (des jüngeren …) blieb aber zu weiten Teilen auch nach Wochen noch aus. Die Venezianer und ihr Kreuzfahrerheer hatte also keine andere Wahl … Sie stürmten Konstantinopel, zerschlugen bei der Gelegenheit das Byzantinische Kaiserreich und erbauten stattdessen ein „Lateinisches Königreich“. Das hatte zwar nur 50 Jahre Bestand, Byzanz konnte sich von dem Schlag aber nie mehr ganz erholen. Achja: Das Kreuzfahrerheer bekam Ägypten oder gar Jerusalem natürlich auch nie zu Gesicht.

3 | Alle Kreuzzüge danach

Ich muss ganz offen zugeben: An der Stelle bricht mein „Top 3 der größten Kreuzzugs-Pannen“-Thema ein wenig zusammen. Keine Panne könnte größer sein als die des vierten Kreuzzugs in Konstantinopel! Und auch wenn die direkte Verbindung von den Ereignissen von 1204 zur Niederlage Byzanz‘ gegen die Osmanen 250 Jahre später eine zu einfache ist, kann man die Folgen dieses „Ausrutschers“ kaum überschätzen. Daher soll der dritte Punkt dieser Top 3-Liste ein Sammelpunkt sein. Er ist allen Kreuzzügen seitdem gewidmet. Denn sie waren alle mehr oder weniger fulminanten Pannen und erreichten so gut wie nichts.

Der fünfte Kreuzzug nach Damiette

Nur wenige Jahre nach den Ereignissen in Konstantinopel startete Papst Innozenz schon 1217 einen neuen Versuch. Seinem Aufruf folgten dieses Mal zwei Kriegszüge. Einerseits kämpfte sich Friedrich II. in Richtung Jerusalem vor, andererseits entflammten Kämpfe in Ägypten, wie es schon 15 Jahre zuvor geplant gewesen war. Gerade dort bekleckerten sich die Kreuzfahrerheere des fünften Kreuzzuges mit reichlich Ruhm. Vier Monate lang belagerten sie die Festungsstadt Damiette an der Nilmündung, nur um sofort nach dem Sieg für mehrere Monate in Streitereien zu verfallen, wem die Stadt denn nun gehörte. Das gab den gegnerischen Armeen Zeit sich neu zu formieren und die Kreuzfahrer im Folgejahr vernichtend zu schlagen.

Der sechste Kreuzzug nach … Damiette?

Es dauerte ein paar Jahrzehnte, aber Mitte des 13. Jahrhunderts folgte ein neuer Versuch: Kreuzzug Nummer sechs (zumindest in der deutschen Zählung – anderswo werden der Zug nach Damiette und der Kreuzzug Friedrichs II. als zwei getrennte Kreuzzüge gerechnet und wir sind somit schon bei Nummer Sieben). Abgesehen davon gab es wenig Neues. Im Frühjahr 1249 fällt Damiette erneut an die Kreuzfahrer, sie warten erneut zu lange mit der Verfolgung der sich zurückziehenden Verteidiger, belagern nach einigen Teilerfolgen im Frühjahr 1250 die Stadt al-Mansura und scheitern schließlich an den besser versorgten Truppen der Ayyubiden-Dynastie.

Der siebte Kreuzzug nach Tunesien

Und dann wäre da noch der siebte Kreuzzug nach Tunesien. Er ist der letzte Kreuzzug der klassischen Zählung (wobei die wie gesehen recht subjektiv ist und das Wort Kreuzzug damals ohnehin nicht existierte) und fand 1270 statt. Angeführt wurde diese siebte Ausgabe vom französischen König Ludwig IX. Gleich zu Beginn belagerten seine Kreuzfahrer Tunis, scheiterten nach kurzer Zeit und Ludwig starb. Mehr braucht man dazu eigentlich nicht zu sagen.

Die Geschichte einer Schnapsidee

Was kann man also über die Kreuzzüge des Mittelalters sagen? Nun. Alles in allem waren sie eine Schnapsidee. Fast 200 Jahre lang (und in Teilen der Welt noch länger) lebte in Westeuropa die Idee fort, Jerusalem und das gesamte Heilige Land den Muslimen entreißen zu können. Realistisch war die Idee aber nie. Im ersten Kreuzzug kam man der Sache noch am nähesten und mit dem Königreich Jerusalem und anderen Kreuzfahrerstaaten konnte tatsächlich eine „lateinische“ Präsenz in Nahost etabliert werden. Die diversen muslimischen Dynastien gingen daraus aber nur oberflächlich geschwächt hervor, was die immer neuen Rückeroberungen dann auch zeigten. Währenddessen dienten die Kreuzzüge vor allem einer Sache: Sie vergifteten die nachbarschaftlichen Beziehungen und schwächten nebenbei noch Byzanz – was nun wirklich nicht im Interesse der Westeuropäer gewesen sein konnte. Und wer gewann am Ende? Plot Twist! Die Mongolen. Aber das ist eine andere Geschichte.

5 Gedanken zu „Die größten Pannen der Kreuzzüge“

  1. Ich fände es super, wenn du mal auf die Geschichte von Robin von Luxley zu sprechen kommst. Also wie „Robin Hood“ entstanden ist und in wiefern er in die Geschehnisse des dritten Kreuzzuges passt.
    Außerdem würde ich dich gerne auf zwei sehr besondere Charaktere der Kreuzzüge aufmerksam machen, dessen Geschichten wie ich finde super interessant sind.
    Zum ersten wäre da Balian von Ibelin (gucke hierzu den Film Königreich der Himmel, einer meiner absoluten lieblingsfilme), welcher im dritten Kreuzzug gegen Saladin um Jerusalem kämpfte und zum anderen den Dogen Vitale Michiel, welcher wie ich finde eine der größten Pannen des vierten Kreuzzuges durchlebte und dessen Leben ein echtes Drama ist.
    Auch, wenn die beiden nicht wirklich Einfluss auf unsere heutige Geschichte nahmen, so würde mich freuen, wenn du ein Bisschen was über den Wahrheitsgehalt dieser beiden Leben herausfinden würdest. Wenn nicht, so freue ich mich trotzdem, dass du meinen Kommentar gelesen hast und außerdem auf neue Episoden von dir.
    L.G. Mats Roth

    1. Hey Mats,

      danke für die Hinweise! Mir sagten beide Leute noch nichts (Robin Hood schon 😉 Das müsste ich mir mal näher anschauen). Ich werde mich mal ein wenig damit beschäftigen. Königreich der Himmel habe ich nämlich auch noch nicht gesehen und ich glaube auch, dass mir das gut gefallen könnte! Von demher: Vielen Dank für die Ideen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert