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Die Geschichte der Maroons: Sklavenrebellen in Amerika

Die Maroons in Amerika

Die „Entdeckung“ Amerikas durch Christoph Kolumbus im Jahr 1492 gilt in der westlichen Welt bis heute als große zivilisatorische Leistung. Zumindest wird der Tag seiner Ankunft etwa in den USA oder Spanien immer noch als Feiertag begangen. Die Reise Kolumbus‘ veränderte die Welt tatsächlich für immer – allerdings für die allermeisten nicht zum Besseren. Neben der brutalen Ermordung der Ureinwohner begann wenige Jahre nach der angeblichen Entdeckung bereits der massenhafte Transport afrikanischer Sklaven in die „neue Welt“. Über die nächsten Jahrhunderte wurden auf diesem Weg über 12 Millionen Menschen verschleppt. Eine Facette dieser Entwicklung wird jedoch oft übersehen. Die Geschichte derjenigen Sklaven, die sich widersetzten, flohen und fernab der europäischen Plantagen ihre eigenen Gesellschaften gründeten, ist nämlich fast so alt wie die der Plantagen selbst. Man nennt sie die Maroons und um ihre außergewöhnliche Geschichte soll es heute gehen.

Die Maroons: Versuch einer Definition

Kaum waren die ersten Afrikaner als Sklaven in die Karibik gebracht worden, flohen die ersten von ihnen auch schon und gründeten ihre eigenen Gemeinschaften im Hinterland der Plantagen. Denn auch wenn sich die Europäer das einreden wollten: Niemand war gerne ein Sklave. Zumindest seit 1512 sind solche „Maroons“ in den Quellen belegt – nur zwanzig Jahre nach der Ankunft der Europäer in Amerika also. Ihren Namen erhielten diese entflohenen Sklaven ebenfalls schon zu dieser Zeit von ihren ehemaligen spanischen Herren. Als Cimarrónes wurden sie bezeichnet, was soviel wie „wilde Entlaufene“ heißt. Über das Französische „Marron“ wurde daraus schließlich das englische Wort Maroon, das diese Gruppen bis heute auch im Deutschen beschreibt.

Es dauerte nicht lange und solche Maroon-Gemeinschaften existierten in der gesamten Karibik. Überall lief die Geschichte dabei ähnlich ab. Die spanischen Kolonialisten breiteten sich Insel für Insel aus und betrieben dort von afrikanischen Sklaven betriebene Plantagen, meist für Zuckeranbau. Entflohene Sklaven zogen sich dann in das nicht von den Spaniern kontrollierte Innere der Inseln zurück. Dort schafften es einige von ihnen, unabhängige Gemeinschaften zu gründen, fern der Kontrolle der Kolonisatoren und teils in Vermischung mit den karibischen Ureinwohnern. Ein leichtes oder gar angenehmes Leben war das aber freilich nicht. Das Landesinnere von Inseln wie Hispaniola, Puerto Rico oder Jamaika war und ist kein einladender Ort. Meist sind das gebirgige Waldlandschaften. Landwirtschaft war schwierig und obendrein mussten sich die Maroons ständig gegen Angriffe der Spanier zur Wehr setzen. Aber das Leben in Sklaverei war noch schlimmer, weshalb ein stetiger Zuzug von den Plantagen gewährleistet war.

Es würde noch ganze zwei Jahrhunderte dauern, bis die Kontrolle der Kolonialherren von den Küsten auch auf das Landesinnere der karibischen Inseln ausgriff und die Maroons somit erreichte. Nach mehreren Jahrhunderten gingen diese Gruppen auf den kleineren Inseln somit im 18. Jahrhundert langsam aber doch unter. Auf den großen Inseln sah die Sache aber ganz anders aus und besonders auf Jamaika und Hispaniola würden die Maroons nun bald eine wahrlich historische Rolle einnehmen.

Jamaika und die Maroon-Kriege

Jamaika ist dafür ein Paradebeispiel. Dort gab es wie anderswo in der Karibik seit dem 16. Jahrhunderte Gruppen an Maroons, die sich in den Bergen vor den spanischen Kolonialherren versteckt hielten. Mitte des 17. Jahrhunderts übernahm zwar England die Kontrolle über Jamaika, aber wie zuvor war damit eigentlich nur die Küste gemeint. Erst gut hundert Jahre später unternahm die britische Besatzungsmacht erstmals ernsthafte Versuche, auch das Landesinnere unter ihre Herrschaft zu bringen. Die dort lebenden Maroons ließen das aber nicht einfach mit sich machen. Sie taten sich zusammen und traten den britischen Truppen ab den 1730ern militärisch entgegen: Der erste Maroon-Krieg. Mit Guerilla-Taktiken und deutlich überlegener Landeskenntnis machten die Maroons den Briten zehn Jahre lang das Leben schwer, bis diese zu einem Friedensvertrag bereit waren. Den siegreichen Maroons wurde dabei weitgehende Autonomie zugestanden. Dies war das erste Malin der Geschichte, dass eine Gruppe von ex-Sklaven ihre Unabhängigkeit von einer europäischen Kolonialmacht erreichen konnte – 100 Jahre vor Abschaffung des Sklavenhandels durch das britische Empire!

In der Folgezeit kam es zwar immer wieder zu Auseinandersetzungen und auch zu einem zweiten Krieg gegen die britische Verwaltung. Ihre Autonomie verloren die Maroons von Jamaika aber nie wieder. Sie leben bis heute im Landesinneren Jamaikas, weit abseits der Mehrheitsbevölkerung der Küstenregionen. Schätzungen zufolge gibt es noch mehrere tausend Maroons in Jamaika.

Die Maroons in der Haitianischen Revolution

Eine historisch noch bedeutendere Rolle nahmen die Maroon Communities bald auf Hispaniola beziehungsweise im zukünftigen Haiti ein. Die dortige französische Kolonie Saint Domingue war zu dem Zeitpunkt die wahrscheinlich ertragreichste der Welt. Kein anderes Besitztum produzierte für seine Kolonialmacht so viel Ertrag wie Saint Domingue für Frankreich. Umso mehr Gewicht haben die Ereignisse, die sich Ende des 18. Jahrhunderts dort abspielen sollten – und die Maroons waren mittendrin.

Die Kolonie war zu dem Zeitpunkt seit Jahrhunderten eine tief gespaltene Gesellschaft. Beherrscht wurde Saint Domingue von einer verschwindend kleinen weißen Oberschicht. Daneben gab es eine weiße Unterschicht, freie Schwarze, „Gemischte“ und eine erdrückende Mehrheit von afrikanischer Sklaven, die aufgrund der enormen Sterblichkeit ständig neu aus Afrika eingeschleppt wurden und wohl 90 Prozent der Einwohner stellten. Daneben lebten aber auch hier seit dem frühen 16. Jahrhundert selbstverständlich Maroons, die in ihren Dörfern im Landesinneren stetigen Zulauf durch entlaufene Sklaven erhielten. Sie stellten für die Plantagenbesitzer damit eine ständige Gefahr dar.

In den 1750er-Jahren kam es dann zum ersten großen Aufstand der Maroon in Haiti. Unter ihrem Anführer François Mackandal überfielen sie fast ein Jahrzehnt lang Plantagen und befeuerten dort Sklavenaufstände. Die Kolonialmacht schaut lange hilflos zu. Letzten Endes wurde Mackandal zwar doch noch gefangen und hingerichtet, sein Vorbild hatte aber bereits Wellen geschlagen. Kaum vierzig Jahre später folgte in Saint Domingue der größte Sklavenaufstand, den die Karibik jemals gesehen hatte. Von 1791 bis 1804 befand sich das Land im offenen Bürgerkrieg. Sklaven, Maroons, freie Schwarze, Franzosen, Spanier, Briten und wer sonst noch Zeit fand, standen sich in wechselnden Koalitionen gegenüber. Zigtausende starben an den Kämpfen und (vor allem unter den Europäern) am Gelbfieber. Am Ende stand aber mit Haiti die erste und einzige freie „Sklavenrepublik“ der Welt.

Ein schweres Erbe

Die Kolonisierung der „neuen Welt“ durch die Europäer war ein unmenschliches und zumeist einseitiges Unterfangen. Der Profit der weißen Europäer stand auf der einen, das Leid der Ureinwohner und afrikanischen Sklaven auf der anderen Seite. Umso wichtiger ist es, daran zu erinnern, dass diese trotzdem nicht nur Opfer waren. Es gab zu jedem Zeitpunkt unabhängige Maroon Communities, die sich der Versklavung widersetzten. Und nicht zuletzt in Haiti zeigten sie, was sie von der europäischen Präsenz hielten. In Spanien, den USA aber – seien wir uns ehrlich – der gesamten westlichen Welt, ist diese Erkenntnis noch immer nicht ganz durchgedrungen.

4 Gedanken zu „Die Geschichte der Maroons: Sklavenrebellen in Amerika“

  1. WOW!
    Danke für diesen Artikel. Du gibts damit vielen Menschen würde zurück. Echt Respekt! Das habe ich richtig gerne gelesen. Es war auch sehr spannend, denn so etwas lernt man irgendwie nirgends. Ich frage mich, ob ich wohl archäologische Spuren der Maroons finden könnte. Das wäre doch mal eine wirklich tolle Forschung
    Grüße
    Miss Jones

    1. Oh vielen lieben Dank – das freut mich extrem zu hören! Und ja, wäre wirklich spannend. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, welche archäologischen Projekte es da gegeben hat (falls überhaupt), es müsste aber einiges zu finden sein. Abgesehen davon ist das Thema aber zumindest auf Jamaika und in Suriname auch anthropologisch interessant, weil man da ja tatsächlich mit Angehörigen sprechen kann!

      1. Du hast recht,

        und es müssten sich spuren finden lassen. Auch von den Wohnplätzen und ähnliches. Aber ich habe so ein Problem damit, als weiße Europäerin dort hinzufahren und einfach darauf Los zu forschen. Weil ich nicht diese alten kolonialen Stereotype neu bedienen will.
        Grüße
        Miss Jones

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