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Eine 0815 Katze im Sack bitte. Die Bedeutung alter Sprichwörter

Die Geschichte alter Sprichwörter. Hier: Ich verstehe nur Bahnhof

Wir begegnen der Geschichte an jeder Straßenecke. In Straßennamen, in den Namen ganzer Ortschaften und auch an den Gebäuden selbst hat die Vergangenheit ihre Spuren hinterlassen. Aber die Geschichte hat auch uns selbst und unsere Kultur geprägt: Nämlich in der Art, wie wir sprechen. Nichts macht das deutlicher als alte Sprichwörter und Redewendungen, deren ursprüngliche Bedeutung wir heute teilweise nicht mal mehr verstehen. Schauen wir uns also einige davon an und begeben uns zugleich auf eine Reise durch die Jahrhunderte. Woher kommt 0815? Warum verstehen wir nur Bahnhof? Wer kauft denn bitte eine Katze im Sack und warum sind aller guten Dinge drei? Das alles erfährst du in diesem Beitrag!

Die Bedeutung von 0815

Alte Sprichwörter und Redewendungen haben leider oft die blöde Angewohnheit, dass man ihren Ursprung nicht mehr zweifelsfrei rekonstruieren kann. Daher beginnen wir diese Liste doch mit einem Sprichwort, das noch gar nicht so weit in die Geschichte hineinreicht und über das wir dementsprechend etwas mehr wissen: 0815. Vielleicht auch Nullachtfünfzehn, 08/15 oder wie auch immer du das Schreiben möchtest (es gibt wohl einen Grund, warum man das Wort nie ausschreibt …). Im Gegensatz zur Schreibweise ist dir wahrscheinlich klar, was 0815 bedeutet: Es steht für gewöhnlich, durchschnittlich, mittelmäßig … strunznormal eben. Die genaue Bedeutung kann zwar etwas variieren, aber meist hat 0815 auch einen negativen Beigeschmack. Niemand will 0815 sein. Aber was ist nun die Herkunft dieses merkwürdigen alten Sprichworts? Und warum genau diese Zahlenkombination?

Tatsächlich können wir in diesem Beispiel ziemlich genau zurückverfolgen, wo die Redewendung ihren Ursprung hat. Irgendwann während des Ersten Weltkriegs begannen deutsche und österreichische Soldaten nachweislich damit, ihre Erfahrungen mit 0815 zu beschreiben. Der Grund? Ein Gewehrmodell der Zeit: Das MG (du hast es erraten) 08/15 des Berliner Waffenproduzenten Loewe. Dieses Maschinengewehr war im Ersten Weltkrieg weit verbreitet unter den deutschen Truppen. Das 08 steht dabei für das Jahr der Ersteinführung der Waffe 1908, das 15 für das letzte Update von 1915. Warum der Name dieses Gewehrs aber bald von Soldaten als Synonym für „durchschnittlich“ verwendet wurde, ist noch immer nicht ganz klar. Eventuell hatte es mit der eher durchschnittlichen Qualität der Waffe zu tun. Vielleicht lag es aber auch an den „gewöhnlichen“ und „langweiligen“ Truppenübungen, die mit der Waffe im Anschlag tagtäglich absolviert wurden. Abschließend geklärt ist die Frage zumindest nicht.

Ich verstehe nur Bahnhof

Bleiben wir nun noch kurz im frühen 20. Jahrhundert und wir landen schon beim nächsten der alten Sprichwörter dieser Liste: Nur Bahnhof verstehen. Was könnte denn nur wieder die Bedeutung dieser Redewendung sein? Sie ergibt doch noch viel weniger Sinn als das 0815! Auch hier ist die Verwendung heute bekannt. Nur Bahnhof verstehen bedeutet in Deutschland, gar nichts zu verstehen. Im Gegensatz zum letzten Beispiel kann ich hier übrigens wirklich bestätigen: Das ist etwas sehr Deutsches. In Österreich würde man dieses Sprichwort kaum zu hören bekommen und ich denke unter den Eidgenossen ist das ähnlich. Da ist es dann doch eher auffallend, dass die Ursprungsgeschichte von „Bahnhof verstehen“ und 0815 eine sehr ähnliche sein könnte. Auch hier gibt es nämlich Theorien, die uns in den Ersten Weltkrieg führen.

So könnte es sein, dass Soldaten „nur Bahnhof verstanden“, wenn sie kurz vor einem Heimaturlaub standen. Egal was der Vorgesetzte in dieser Stimmung zu ihnen sagte: Sie dachten nur an den Bahnhof und an den Zug, der sie von dort nach Hause bringen sollte. Bestätigen lässt sich das allerdings nicht. In den uns bekannten schriftlichen Quellen, etwa in Tagebüchern oder auch öffentlichen Schriften, scheint das „nur Bahnhof verstehen“ nicht vor den 1920er-Jahren in Deutschland auf. Spätestens 1923 hat das Sprichwort aber wohl seinen endgültigen Durchbruch erreicht. Da benutzte ein Abgeordneter der KPD den Satz im Parlament. Und wenn Politiker beginnen, eine Redewendung zu benutzen, kann man von einer Sache getrost ausgehen: Sie ist schon lange nicht mehr cool.

Wer hat die Katze im Sack verpackt?

Nun ist es aber an der Zeit, dass wir uns tiefer in die Geschichte hineingraben und auf alte Sprichwörter zu sprechen kommen, die auf eine längere Tradition als nur die letzten hundert Jahre zurückblicken. Dabei allerdings gleich die schlechte Nachricht vorweg: Wie du inzwischen sicherlich bemerkt hast, wird die Quellenlage nicht gerade besser, umso weiter zurück man sich zeitlich begibt. Für frühere Zeiten haben wir schlicht deutlich weniger Dokumente zur Verfügung und bei so schlecht verbrieften Dingen wie Sprichwörtern schaut die Sache nochmal schlimmer aus. Aber versuchen wir es trotzdem mal mit einem mehrere Jahrhunderte alten Sprichwort: Woher kommt denn das „Die Katze im Sack kaufen“?

Wer die Katze im Sack kauft, kauft bekanntlich etwas, dessen Inhalt er nicht kennt. Wir haben hier keine bestätigte Erklärung der Herkunft. Die besten Theorien zum Ursprung des Sprichworts sind dafür recht einleuchtend: Es soll von den Märkten der Neuzeit oder des Mittelalters kommen. Damals (wie auch lange davor und danach) kauften viele Menschen lebende Tiere auf den Märkten, um sie später zuhause zu schlachten und zuzubereiten. Besonders wertvoll waren etwa Ferkel, die dann zuhause gemästet und später geschlachtet werden konnten. Aber auch Karnickel und andere Tiere waren durchaus beliebt und wurden wohl tatsächlich oft in Säcken verkauft (wohl um die Tiere in der Dunkelheit zu beruhigen?). Nun war eine Katze aber deutlich weniger wert als so ein Ferkel. Gaunerische Händler könnten also angebliche Schweinchen in Säcken verkauft haben, die sich später beim Auspacken als langweilige Katzen entpuppt haben. Oder zumindest ist das unsere beste Theorie, die wir haben. In der heutigen Internet-Kultur ohnehin unvorstellbar. Da ist doch nichts mehr wert als ein gutes Katzenvideo.

Aller guten Dinge sind drei

Den Abschluss unserer alten Sprichwörter soll nun aber „Aller guten Dinge sind drei“ bilden. Ausgerechnet an vierter Stelle der Liste … Den Tipp hätte ich für diesen Blogartikel vielleicht mal selbst beherzigen sollen. Aber es hat einen Grund, warum ich mir diese Redewendung für den Schluss aufgehoben habe. Einerseits reicht das Sprichwort (angeblich) am weitesten in die Vergangenheit zurück. Andererseits scheint es eine klare Antwort für Bedeutung und Ursprung zu geben. Die ist denkbar einfach: Es soll sich nämlich gar nicht um drei „Dinge“ handeln. Vielmehr bezieht sich die Redewendung auf drei „Thinge“. Ein Thing war eine Art Gerichtsverhandlung in germanischen Gesellschaften. Angeblich soll sich das Sprichwort nun darauf beziehen, dass ein Angeklagter dort drei Mal geladen werden musste, bevor man ihn auch in Abwesenheit verurteilen durfte. Damit sind aller guten „Dinge“ drei.

Das ist nun an und für sich zwar möglich, aber doch kommt mir die Erklärung etwas zu einfach vor. Das beginnt schon damit, dass alle Google-Ergebnisse der ersten Seite in teils ein und demselben Wortlaut von dieser „mittelalterlichen Praxis“ sprechen. Einerseits finde ich schon die Bezeichnung „mittelalterlich“ verdächtig, wo germanische Stammesgeschichte doch deutlich weiter zurückreicht. Andererseits scheinen sich die Webseiten aber auch einfach zu einig zu sein für meinen Geschmack. Woher wollen wir das alles so genau wissen, wo wir doch gerade gelernt haben, dass man über alte Sprichwörter nur wenig mit Sicherheit sagen kann. Abgesehen davon ist auch eine noch einfachere Erklärung naheliegend. Drei ist schlichtweg eine symbolische Zahl und das seit der frühen Menschheitsgeschichte. Ich würde die Erklärung mit dem Thing daher eher ins Reich der Spekulation schieben.

Der Wert alter Sprichwörter

Damit haben wir die vier alten Sprichwörter der Liste auch schon durch. Was sollen wir daraus nun lernen? Vielleicht die gute Nachricht zuerst: Wir können daraus lernen, dass sich die historische Entwicklung unserer Gesellschaften auch in der Sprache und Kultur widerspiegelt. Und auch wenn wir nicht immer mit größter Präzision sagen können, wo ein Sprichwort herkommt, kann uns die Suche nach Erklärungen das ein oder andere lehren. Die schlechte Nachricht ist aber selbstverständlich, dass wir es in sehr vielen Fällen nie mit Gewissheit sagen werden können. Aber so ist das eben mit der Geschichte und das macht den Spaß doch auch aus!

Tanja von „Hörbar, bunt & vielseitig Sonntagsgeschichten“ hat diesen Beitrag auf wunderbare Art in ein kleines Hörspiel verwandelt. Höre es dir hier an!

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10 Gedanken zu „Eine 0815 Katze im Sack bitte. Die Bedeutung alter Sprichwörter“

  1. Ein paar Quellen wären nett gewesen, vor allem der Teil mit der Katze im Sack ist arg spekulativ. Zum Thema „Aller guten Dinge sind drei“ gibt es in Bremen den Spruch „Dreimal ist Bremer Recht“. Das klilngt so, als könnten die beiden Sprüche etwas miteinander zu tun haben.

    1. Mit der Spekulation hast du freilich recht, wobei ich mich ja sehr zurückhalte mit absoluten Aussagen. Es ging mir ja gerade darum, zu sagen, dass man es bei diesen Sprichwörtern nie mit Sicherheit sagen kann. Dementsprechend auch keine Quelle – ich kenne keine wirklich zuverlässige.

      Das „Dreimal ist Bremer Recht“ klingt interessant – stimmt. Könnte etwas miteinander zu tun haben. Wobei wie gesagt: Drei ist halt doch eine sehr symbolische Zahl, das kann viele Ursprünge haben

  2. Ich kannte die MG-Erklärung zu 08/15 schon länger, aber habe mich immer gefragt, wie denn aus diesem Entstehungszusammenhang eine in der Volkssprache weit verbreitete Redewendung wird. Angenommen die Redewendung entstand im Krieg und zirkulierte dort innerhalb der Militärszene, waren die heimgekehrten Soldaten dann diejenigen, die die Sprache derart nachhaltig beeinflussen konnten? Viele andere Sprachbeispiele, die ihren Ursprung im Militärischen haben, würden dafür sprechen (“ein Lager aufschlagen”, “den Rückzug antreten”, “Waffenstillstand” und in der deutschen, wie auch in der englischen Sprache, hunderte mehr).

    1. Hey! Mhh, ich kann mir das durchaus vorstellen. Der Erste Weltkrieg war schließlich ein Konflikt, der in fast jede Familie hineinreichte. Es waren wahre Massen an Männern, die im Herbst 1918 langsam nach Hause zurückkamen. Dass das auch die Sprache beeinflussen kann, ist für mich zumindest realistisch. Deine Aufzählung untermauert das noch zusätzlich. In einem so militarisierten Staat wie dem Deutschen Kaiserreich waren Ausdrücke, die ursprünglich aus dem Militär kamen, aber sicher auch vor dem Krieg schon weit verbreitet.

  3. Wo es gerade um militärische Sprachherkunft geht, kennt ihr den Spruch ‚mach keine Fisimatenten‘? Dieses Wort stammt angeblich aus den napoleonischen Kriegen, als französische Soldaten Deutschland besetzten bzw. mit ihrem Heer durchmarschierten. Die hatten Militärzelte dabei und luden dorthin natürlich auch die schönen jungen Fräuleins der betroffenen Ortschaften zum… Feiern ein, offenbar mit den Worten ‚visite ma tente‘. Diese Besuche natürlich alles andere als akzeptierte gesellschaftliche Ereignisse und so wurde den Damen stets eingeschärft, sie sollten auf gar keinen Fall irgendwelche Fisimatenten machen.

    1. Der Begriff scheint mir entlang des Rheins bekannt zu sein. In diesem Bereich gab es mindestens seit dem 17. Jahrhundert (Dreißigjähriger Krieg, Pfälzischer Erbfolgekrieg) bis ins 20. Jahrhundert (Besetzung des Rheinlands nach dem 1. Weltkrieg, Französische Besatzungszone nach dem 2. Weltkrieg) genügend Anlässe um solche Warnungen auszusprechen.

  4. Ich verstehe nur Bahnhof. 1 und 2 Weltkrieg. Während dem Krieg wurden die Ortsschilder demontiert, damit der Feind nicht wusste wo man war. Den Bahnhof fand man immer, immer den Gleisen entlang

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