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Drei Volksaufstände für einen guten Zweck. Bier und Prügeleien statt Freiheit und Gleichheit!

Volksaufstände zum guten Zweck. Hier die Münchner Bierrevolution

Volksaufstand und Revolution. Sie gehören zur Menschheitsgeschichte dazu. Immer wieder erhoben sich die Menschen, um gegen die Zustände im Staat zu revoltieren und nicht selten brachte das radikale Veränderungen mit sich. Die Glorreiche Revolution Englands, die Französische Revolution, die Oktoberrevolution. Die Welt wäre heute eine ganz andere, hätte es das alles nicht gegeben. Manchmal standen die Menschen aber auch für die wirklich wichtigen Dinge im Leben auf. Nicht für Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, nein: für Bier, Zocken und Sport! Hier sind meine Top 3 Volksaufstände in der Geschichte.

Der Nika Volksaufstand in Konstantinopel

Beim ersten Volksaufstand der Liste geht es um die für viele wichtigste Nebensache der Welt: den Sport. Aber natürlich nicht nur. Wir befinden uns in Konstantinopel im Jahr 532. Das Römische Reich im Westen war zu der Zeit bereits untergegangen, Byzanz machte sich nun daran, das mächtige Erbe zumindest im Osten anzutreten. Aber das sollte sich als schwieriger herausstellen als gedacht. Zu dieser Zeit war Justinian Kaiser des Reiches. Und auch wenn er es gern so gehabt hätte: Herrscher von Gottes Gnaden war er nicht unbedingt. Zumindest war es beim besten Willen nicht so, dass er im Reich uneingeschränkt das Sagen gehabt hätte. Denn in Konstantinopel gab es zu der Zeit einige mächtige Gruppierungen, die ihren Einfluss auf die Politik ausübten. Man nannte sie „Zirkusparteien“. In Wirklichkeit waren es aber wohl eher die Hooliganclubs der örtlichen Wagenlenker.

Es existierten damals zwei große solche Clubs. Benannt wurden sie wie in einem Hollywood-Film eines besonders faulen Regisseurs: die Blauen und die Grünen. Und an ihnen führte in Konstantinopel politisch kein Weg vorbei. Justinian stützte sich, noch bevor er zum ernannt Kaiser wurde, auf die Blauen, die ihm seine Macht sichern sollten. Soweit so gewöhnlich. Das Spiel kannte man im Konstantinopel der Zeit schon. Ungewöhnlich wurde es allerdings, nachdem Justinian dann Kaiser war. Da wandte er sich nämlich gegen die Zirkusparteien, auch gegen „seine“ Blauen, und das endete schnell in einem ausgewachsenen Volksaufstand!

Diese Hooligans können sich auch überhaupt nicht benehmen

Die Zirkusparteien waren aber auch ein wirklich aufmüpfiger Haufen. Die Blauen unterstützten den guten Justinian nämlich nicht nur und zogen sich nach seiner Kaiserwahl brav zurück, nein, sie wollten auch danach noch ihre Forderungen durchsetzen! So zogen sie gemeinsam mit den Grünen Anfang 532 durch die Straßen Konstantinopels, um gegen die hohen Steuern im Staat zu demonstrieren (manche Dinge ändern sich eben nie). Damit begann auch schon die Eskalation. Justinian nahm in einem Anflug von Größenwahn kurzerhand die Anführer der Parteien gefangen und ließ einige von ihnen sogar hinrichten. Bei einigen anderen rissen allerdings die Stricke. Auch kein allzu vielversprechendes Zeichen. Als kurz darauf dann während eines der monatlichen Wagenrennen im Hippodrom die Menschen Justinian um Gnade für die Anführer baten – was der ignorierte -, kippte die Stimmung endgültig.

Die Hooligans taten also, was sie am besten konnten. Die Grünen und Blauen legten ihren Zwist beiseite und verbündeten sich gegen den Kaiser, tausende Sportfans waren sofort auf ihrer Seite und zogen in die Stadt. Die Rebellion erhielt auch bald einen Namen: Nika-Aufstand, nach dem algriechischen Wort für Sieg. Reichlich optimistisch, könnte man sagen. Aber doch: Bald schon brannten die ersten Häuser im Palastviertel Konstantinopels. Dummerweise für Justinian stellten sich sogar einige Senatoren auf die Seite der Aufständischen und riefen schließlich gar einen Gegenkaiser aus! Mit Hooligans auf der Straße war damals also wirklich nicht zu spaßen. Erfolgreich bleiben sollten sie trotzdem nicht.

Justinian ließ, nachdem die Aufständischen sein Angebot von Straffreiheit für die Anführer der Zirkusparteien ablehnten, die Armee rufen. Während eines weiteren Wagenrennens (denn warum sollte man das auch absagen) metzelten seine Truppen dann gut 30.000 Leute nieder. Danach gab es jahrelang keine Rennen in Konstantinopel mehr. Sport gibt es heute in Istanbul trotzdem noch zur Genüge. Römische Kaiser nicht so sehr.

Der St. Scholastica Day Riot in Oxford

Wagenrennen, Hooligans und größenwahnsinnige Kaiser sind nun zwar schön und gut. Es gibt aber doch Wichtigeres im Leben. Bier zum Beispiel! Und genau darum geht es in den verbleibenden zwei Einträgen meiner Liste. Denn wenn wir uns ganz ehrlich sind: Ist Bier nicht wirklich die Essenz des Lebens? Im zweiten der wohlverdientesten Volksaufstände der Geschichte waren die Teilnehmenden auf jeden Fall dieser Meinung. Es handelt sich dabei um den sogenannten St. Scholastica Day Riot im Oxford des Jahres 1355. Und auch da begegnen uns einige Dinge, die sich bis heute nicht großartig geändert haben. Es geht um trinkwütige Studenten, von ihnen genervte Stadtbewohner und eine Kneipenschlägerei. Oh, und um fast hundert Tote und Folgen, die noch 500 Jahre lang zu spüren waren. Aber das muss man wenn es um England geht doch nicht extra dazusagen.

Dabei begann alles ganz unschuldig. Eines Winterabends im Jahr 1355 waren ein paar Studenten der Oxford University in einer Kneipe der Stadt zu Gast und wollten sich zur Abwechslung mal so richtig einen hinter die Binde gießen. Doch da bemerkten sie zu ihrem tiefen Schreck: Ihr Bier schmeckte gar furchtbar! Was soll man da tun? Die Trinkkumpanen taten also, was jeder wohlerzogene adelige Student tun würde. Sie beschwerten sich beim Kneipenbesitzer und schütteten ihm bei der Gelegenheit gleich noch den laschen Drink ins Gesicht, bevor sie dann in eine zünftige Schlägerei übergingen. Je nach Überlieferung der Geschichte war der Kneipenbesitzer zugleich auch noch Bürgermeister der Stadt Oxford. Ansonsten kontaktierte er jedenfalls den Bürgermeister und der verlangte am Folgetag die Festnahme der beiden Studenten vom Rektor der Uni. Aber der musste erstmal gar nichts machen, denn die Universitäten unterstanden ihrem eigenen Recht, nicht dem der Stadt. Also sagte der Rektor wohl wortgetreu: „nope!“

Ach die Geschichte doch morgen schon wieder vergessen!

Von da an ging es abwärts mit der zwischenmenschlichen Harmonie in der Stadt. Mehrere hundert Studenten zogen durch die Straßen Oxfords , um ihre Solidarität mit den Säuferkollegen zu demonstrieren. Die Stadt antwortete mit einem ausgewachsenen Volksaufstand. Aus dem ganzen Umland wurden Bewohner in die Stadt gebracht, um sich den randalierenden Studenten entgegenzustellen. Am Ende des Tages waren 63 Studenten und 30 Stadtbewohner tot. Und das alles wegen eines schlechten Bieres. Hätte den Studenten doch auffallen können, dass sie sich immer noch in England befanden …

Letzten Endes kam das Thema dann sogar an den Hof König Richards III., der ohne zu Zögern der Universität Recht gab. Als Strafe mussten der Bürgermeister Oxfords und seine Ratsmitglieder von da an jährlich zum Jahrestag des Massakers in Demut durch die Straßen ziehen und der Uni einen Penny für jeden toten Studenten bezahlen. Das taten sie dann auch bis 1825, als sich ein Bürgermeister dann einfach weigerte. Bis heute gibt es in Oxford übrigens getrennte Lokale für Studenten und Bürger. Die wissen schon warum.

Die Münchner Bierrevolution

Ein Volksaufstand mit hundert Toten nur für Bier. Das ist ja schon mal ziemlich gut. Aber wenn es um den süßen, süßen Gerstensaft geht, kann man einem Land so schnell nichts vormachen: Bayern! Und das bewiesen die Bajuwaren in der Geschichte schon des öfteren. Ein besonders berühmter Fall ist dabei die Münchner Bierrevolution des Jahres 1844. Da machte König Ludwig von Bayern nämlich einen folgenschweren Fehler. Er wagte es, die Steuer auf Bier und damit den Bierpreis um einen Pfennig zu erhöhen! Das hätte er sich lieber zwei Mal überlegen sollen. Denn kaum versah er sich, waren zweitausend Bürger auf den Straßen Münchens versammelt und stürmten die Brauereien der Stadt. Denn die Bayern sind sonst vielleicht ganz gemütliche Leute, wenn es aber um den Bierpreis geht, ist so ein Volksaufstand das einzige angebrachte Mittel!

König Ludwig plante aber nicht, so schnell klein bei zu geben. Er rief das Militär in die Stadt, um wieder für Recht und Ordnung zu sorgen. Doch zu seinem Unmut durfte er schnell herausfinden, dass die Soldaten die Bierpreiserhöhung des lieben Königs auch nicht gerade toll fanden. Sie weigerten sich also, gegen die Aufständischen vorzugehen. Wer hätte das erwartet? Dass Soldaten eine Schwäche für Bierkonsum haben könnten … Letzten Endes hatte Ludwig also keine Wahl. Er musste die Erhöhung zurücknehmen. Ein paar Monate später senkte er den Preis dann sogar! „Um dem Militär und der arbeitenden Klasse einen gesunden und wohlfeilen Trunk zu bieten“, wie überliefert ist. Damit hat Ludwig ein bis heute gültiges Geheimnis der bayerischen Politik entdeckt. Solange genug günstiges Bier fließt, kann man sich als Regent eigentlich sicher fühlen. Es ist wohl auch das ein Grund, warum bayerische Politiker ihre Reden so gerne in Bierzelten abhalten.

„Machn mir hoit a Revolution. Dass a Ruah is!“

Nicht alle sahen das damals freilich so und es gab durchaus auch Hoffnungen, dass aus der Bierrevolution mehr werden könnte. Friedrich Engels hoffte gar, die Revolte würde zu einem breiteren Volksaufstand werden und letzten Endes zum Kommunismus in Bayern führen! Aber gut, da war der liebe Engels so realitätsnah wie alle anderen Kommunisten auch. So schnell kam die kommunistische Revolution dann doch nicht in Bayern an. Grund zum Aufstand bot das Bier aber dennoch immer wieder. Das Revolutionsjahr 1848 begann in München ebenfalls wieder beim Bierpreis und als 1918 dann tatsächlich eine rote Revolution über Bayern hinwegfegte, begann auch diese – wo denn auch sonst – in einem Bierkeller. Die Revolutionsfreude äußerte sich dort auf typisch bayerische Art. Ein Sozialdemokrat fasste die Stimmung so zusammen: „Noja, Genossen, machn mir hoit a Revolution, dass a Ruah is“. Ruhe gibt es in Bayern heute zur Genüge. Bier auch. Die rote Revolution ging dagegen schon nach ein paar Monaten wieder unter. Das war dann wohl doch zu ungemütlich.

Man sieht: Ein Volksaufstand muss nicht immer für so ferne Ideale wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, die kommunistische Weltrevolution oder sonst was stattfinden. Man kann auch für ganz praktische Dinge aufstehen. Wagenrennen, gutes Bier und vernünftige Preise etwa. Da kann man doch nur zustimmen. Wenn ihr euch jetzt wundert, was man aus der Geschichte lernen soll, könnt ihr meine Gedanken dazu ja nochmal hier nachlesen. Wir hören uns dann nächste Woche im Déjà-vu Podcast! Bis dahin: macht’s es gut. Dass a Ruah is.

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